Erste Suche nach langlebigen Teilchen bei Belle II: Dem dunklen Higgs auf der Spur

Zum ersten Mal haben Wissenschaftler:innen das Belle II Experiment am japanischen Forschungszentrum KEK genutzt, um nach langlebigen Teilchen zu suchen. In einer heute in Physical Review Letters eingereichten Arbeit (hier als Preprint verfügbar: arxiv.org/abs/2306.02830) berichten sie über die Suche nach langlebigen Dunklen Higgs-Teilchen, die Erklärungen für die Natur der geheimnisvollen Dunklen Materie liefern könnten. Diese Forschung wurde von Wissenschaftlern des KIT und DESY geleitet.

Das Standardmodell der Teilchenphysik ist eine Theorie, die die fundamentalen Teilchen und ihre Wechselwirkungen beschreibt. Es ist jedoch keine vollständige Theorie, und es gibt viele unbeantwortete Fragen in der Teilchenphysik. Eine der drängendsten Fragen ist die nach der dunklen Materie, die etwa 85 % der Materie im Universum ausmacht. Sie steht jedoch nur in sehr schwacher Wechselwirkung mit der gewöhnlichen Materie. Die dunkle Materie wurde noch nicht entdeckt, und man versucht, sie in vielen verschiedenen Experimenten mit unterschiedlichen Ansätzen zu finden.

Das ziemlich schwere vom Standardmodell vorhergesagte Higgs-Boson wurde 2012 von den Experimenten CMS und ATLAS am CERN entdeckt. Theorien legen nahe, dass es auch "Dunkle Higgs-Teilchen" geben könnte. Dabei könnte es sich um viel leichtere Teilchen handeln, die nur sehr schwach mit Teilchen des Standardmodells wechselwirken. Wenn sie existieren, könnten sie Wechselwirkungen zwischen Teilchen der dunklen Materie und bekannten Standardmodell-Teilchen vermitteln. Bei Belle II wird vorhergesagt, dass solche Dunklen Higgs-Teilchen vor allem bei Zerfällen von b-Quarks entstehen. Diese Dunklen Higgs Bosonen wären instabile Teilchen, die einige zehn Zentimeter weit fliegen können, bevor sie zerfallen - und dabei eine spektakuläre Signatur aus zwei Spuren hinterlassen, die aus dem Nichts erscheinen. Im Gegensatz dazu zerfällt die Mehrzahl der bekannten Standardmodell-Teilchen in der Nähe des Kollisionspunktes. Weil weder die Masse der Dunklen Higgs-Teilchen noch die Wechselwirkungsstärke mit gewöhnlicher Materie oder die Lebensdauer bekannt sind, gestaltet sich die Suche nach diesen Teilchen äußerst schwierig.

Forschende des KIT haben Daten genutzt, die von 2019 bis 2021 mit dem Belle II-Experiment am SuperKEKB-Beschleuniger in Japan gesammelt wurden, um nach Hinweisen auf Dunkle Higgs-Teilchen zu suchen. SuperKEKB kollidiert 7-GeV-Elektronen und 4-GeV-Positronen, um etwa 200 Millionen B-Mesonen-Paare zu erzeugen, die für diese Analyse verwendet werden. Die Forscher von KIT und DESY haben die Ereignisse ausgewählt, die ein Teilchenpaar mit entgegengesetzt geladenen Teilchen enthalten, das aus dem Nichts in einem beträchtlichen Abstand vom Wechselwirkungspunkt auftaucht, sowie ein geladenes oder neutrales K-Meson: die "smoking gun"-Signatur von b-Quark-Zerfällen zum Dunklen Higgs. Leider hat die Suche bislang noch keine Hinweise auf die Existenz von Dunklen Higgs-Teilchen ergeben. Diese Ergebnisse ermöglichen es den theoretischen Physiker:innen jedoch, mögliche Modelle einzuschränken, die versuchen, die Physik jenseits des Standardmodells zu erklären, wie zum Beispiel die Dunkle Materie. "Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir der dunklen Materie auf die Spur kommen", erklärt Sascha Dreyer, der überzeugt ist, dass sich bei zukünftigen Suchen in Belle II Hinweise für neue Arten von Wechselwirkungen jenseits der bekannten Physik ergeben werden.

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Schematische Darstellung des Zerfalls eines geladenen B-Mesons in ein geladenes Kaon und ein dunkles Higgs-Boson welches dann nach einer gewissenen Distanz in ein Muonpaar zerfällt.