Florian Bernlocher aus Bonn neuer Sprecher der Belle II Kollaboration

Mit Ende des 51. Belle II General Meetings, das von 16.-20.06.2025 stattfand, wurde Prof. Dr. Florian Bernlochner neuer Sprecher der Belle II Kollaboration und übernimmt damit eine Schlüsselrolle innerhalb der Kollaboration. Damit steht er nun für zwei Jahre an der Spitze des Teilchenphysik-Experimentes, an dem rund 1000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von 124 Instituten aus 28 Ländern arbeiten.

Das Belle II Experiment hat zum Ziel, neue physikalische Prozesse, die über das bekannte Standardmodell der Teilchenphysik hinausgehen, zu finden und zu untersuchen. Die Forschenden bei Belle II ergänzen mit Präzisionsmessungen andere Experimente der Hochenergiephysik, beispielsweise am CERN, die nach direkten Signalen von neuen physikalischen Prozessen suchen.

In den nächsten 2 Jahren werden bei Belle II Teilchenkollisionen von Elektronen und Positronen mit noch nie dagewesener Luminosität aufgezeichnet. Luminosität ist in der Teilchenphysik ein Maß dafür, wie viele Kollisionen in einem Beschleuniger innerhalb einer bestimmten Zeitspanne stattfinden. Der SuperKEKB-Beschleuniger am KEK stellte zuletzt 2024 einen neuen

Spitzenluminositäts-Weltrekord von 5.1x1034 cm-2s-1 auf. Die durch die hohe Kollisionsrate entstehende große Datenmenge (bisher 575 fb-1) ermöglicht es den Forschern, physikalische Prozesse sehr genau zu untersuchen und dadurch neue Physik, die in den kleinsten Abweichungen vom Standardmodell versteckt sein kann, zu finden.

Ein Fokus liegt dabei auf der Untersuchung der Asymmetrie von Materie und Antimaterie im Universum. Alleine die Tatsache, dass wir existieren, ist ein Indiz dafür, dass es im frühen Universum Prozesse gegeben haben muss, die anders für Materie als für Antimaterie ablaufen. Die Größe der zu erklärenden Asymmetrie stellt die Wissenschaftswelt noch immer vor ein Rätsel.

Auch die Suche nach dunkler Materie beschäftigt die Forschenden. Es ist bisher unklar, woraus die dunkle Materie, die durch ihre Gravitation in astronomischen Beobachtungen nachgewiesen wurde, besteht. Wenn dunkle Materie-Teilchen in Elektron-Positron-Kollisionen erzeugt werden, könnten sie über die Messung der Energie- und Impulsbilanz im Belle II-Detektor nachgewiesen werden.

Auch Bernlochner ist sehr fasziniert von den Möglichkeiten des Experiments:

„Mich begeistert, dass wir mit hochpräzisen Messungen sehr seltener Prozesse nach neuen physikalischen Effekten suchen können, die indirekt Energiebereiche jenseits der direkten Produktionsschwelle des LHC erschließen. Belle II ermöglicht Tests der fundamentalen Wechselwirkungen auf eine einzigartige Weise und liefert so wichtige Puzzlesteine für unser Verständnis der Naturgesetze.“

Bernlochner ist seit 2013 Mitglied bei Belle II. Nach seiner Postdoc-Zeit an der University of Victoria wechselte er 2014 nach Bonn, wo er 2017 eine Emmy Noether-Nachwuchsgruppe aufbaute. Im selben Jahr wurde er ans KIT berufen. Seit 2019 ist er Professor für Experimentelle Teilchenphysik an der Universität Bonn und leitet dort die Belle II Gruppe.“ Als Sprecher repräsentiert Bernlochner die Belle II Kollaboration nach außen und ist verantwortlich für die wissenschaftlichen, technischen und organisatorischen Belange der Kollaboration.

„Meine wichtigste Aufgabe ist es, die Rahmenbedingungen zu schaffen, damit alle Belle II-Mitglieder ihr volles Potenzial entfalten können - sei es in der Physikanalyse, in der Software, oder beim Betrieb und Upgradestudien des Detektors. Gleichzeitig vertrete ich die Kollaboration gegenüber KEK, Fördergebern und der Öffentlichkeit und möchte helfen, die Sichtbarkeit und den wissenschaftlichen Impact von Belle II weiter zu steigern.“, so Bernlochner. Er übernimmt das Amt von Karim Trabelsi vom IJCLab in Frankreich.

Bernlochner beschäftigt sich mit seiner Gruppe in Bonn mit Präzisionstests des Standardmodells und sucht nach Hinweise auf neue Physik in seltenen und semileptonischen Zerfällen von Beauty-Hadronen, die in großer Zahl bei den Teilchenkollisionen am Belle II Experiment entstehen und ihm auch seinen Namen (frz. „belle“ = „schön“) verleihen. Das Bonner Team entwickelt unter anderem auch neue Detektortechnologien für das geplante Upgrade von Belle II. Die Bonner waren neben weiteren deutschen Universitäten, dem Deutschen Elektronen-Synchrotron (DESY) in Hamburg und dem Max-Planck-Institut für Physik in Garching auch maßgeblich an der Entwicklung, Charakterisierung und Installation des neuen Pixel Detektors, dem innersten Teil des Belle II Detektors beteiligt, der bis 2024 installiert wurde.

Belle II spielt auch eine zentrale Rolle in den erst kürzlich verlängerten bzw. genehmigten Exzellenzclustern “ORIGINS” und „Color meets Flavor“. “ORIGINS” untersucht die Entstehung des Universums und des Lebens - vom Urknall bis zum ersten Leben. Dabei sind Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der LMU München, der TU München, der Europäischen Südsternwarte (ESO), des Leibniz-Rechenzentrums (LRZ) und von fünf Max-Planck-Instituten beteiligt. Bei “Color meets Flavor” arbeiten Forschende der Universität Bonn mit Wissenschaftlern der TU Dortmund, der Universität Siegen und des Forschungszentrums in Jülich zusammen. Ziel des Clusters ist es, die Prozesse der starken („Color“) und schwachen Wechselwirkung („Flavor“) zwischen Quarks zu untersuchen und besser zu verstehen.

Karim Trabelsi übergab Bernlochner das Amt des Belle II Sprechers offiziell mit dem Ende des 51. Belle II General Meetings in Japan am 20. Juni 2025.

„Es ist eine große Ehre und Verantwortung, das Vertrauen der Kollaboration zu bekommen und diese vielfältige, internationale Gemeinschaft durch die kommenden Jahre zu führen. Ich freue mich besonders darauf, gemeinsam mit den Mitgliedern die wissenschaftlichen und technischen Herausforderungen anzugehen und Belle II für die nächste Phase stark aufzustellen.“, meint Bernlochner.

Gleichzeitig wurde Thomas Kuhr von der LMU München nach zwei Jahren als Vorsitzender des Institutional Boards verabschiedet, bleibt Belle II aber selbstverständlich als Wissenschaftler und als Professor an der LMU erhalten.

Die nächsten zwei Jahre werden spannend für das Experiment. Im Herbst 2025 startet Belle II in einen siebenmonatigen Run. Dabei verfolgen die Forscher zwei zentrale Ziele: zum einen die Datenmenge auf 1 ab-1 zu erhöhen und zum anderen den Pfad zu einer stabilen Datennahme bei instantanen Luminositäten von 1035 cm-2s-1 aufzuzeigen. Priorität liegt klar auf stabilen Bedingungen und hochwertigen Physikdaten.

 

Die deutschen Arbeitsgruppen im Belle II-Experiment werden mit Finanzmitteln folgender Einrichtungen und Programme gefördert:

  • Alexander von Humboldt Foundation
  • Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR, ehem. BMBF)
  • Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), insbesondere im Rahmen der Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder:
    • “ORIGINS”: EXC-2094 – 390783311
    • “Quantum Universe”: EXC-2121 – 390833306
  • European Research Council
  • European Union’s Horizon 2020 – grant agreement No 101183137
  • Helmholtz-Gemeinschaft
  • Max-Planck-Gesellschaft

 

 

Portrait von Florian Bernlochner.
Florian Bernlochner
Feierliche Übergabe der symbolischen Fackel.
Karim Trabelsi und Florian Bernlochner stoßen mit einem Getränk an.
Nach der offiziellen Übergabe stoßen Karim Trabelsi (links) und Florian Bernlochner (rechts) auf die vergangenen und kommenden zwei Jahre an.
Gruppenfoto der deutschen Belle 2 Mitglieder, die am 51. Belle 2 General Meeting in Japan vor Ort teilgenommen haben.
Die Teilnehmer des 51. Belle II General Meetings aus Deutschland.
Gruppenfoto aller Teilnehmer des 51. Belle 2 General Meetings.
Die Teilnehmer des 51. Belle II General Meetings.